Als wir die Tankstelle in Brand steckten...

Vom Schützenverein zur Jugendfeuerwehr

Ich hab echt keine Ahnung wie ich dazu kam, aber ich wollte mit 16 (1991) in einen Schützenverein eintreten. Niemand aus meiner Familie war in so einem Verein und auch keiner meiner Freunde. Ich hatte einfach Lust aufs (Ziel-) Schießen - nunja. Meine Schwester und ihr Mann überredeten mich dann aber stattdessen mal mit zu dessen Freiwilligen Feuerwehr in Hamburg-Sasel zu gehen. Da nahm ich dann an deren Jugendfeuerwehr-Übungen teil. Und damit nahm ein sehr anstrengendes Kapitel seinen langen, langen Lauf...

1 Jahr Wehrdienst VS. 8 Jahre Ersatzdienst 

Mit 18 stand eine erste Entscheidung an: Der Übergang von der Jugendfeuerwehr zur Verpflichtung für den 'Ersatzdienst' bei der Freiwilligen Feuerwehr. Der Deal lautete: unterschreib hier für 8 Jahre, dann brauchst Du keinen Wehrdienst leisten. Kein Wehrdienst bedeutete auch kein vergeudetes Jahr durch Bund oder Zivi nach dem Abi . Und was sind schon 8 Jahre? Acht Jahre! Das war fast die Hälfte meiner Lebenszeit! ACHT JAHRE!!! Ich hatte dann unterschrieben und steckte in dieser Maschinerie fest. Ich hatte das mit 18 überhaupt noch gar nicht überblicken können, was so ein Vertrag über so eine Laufzeit wirklich bedeutet.

 

Wechsel zur Brandschutzwehr

Mit dem Übergang zur Erwachsenentruppe der FF musste ich näher an mein Einzugsgebiet/Wohngebiet heran, daher wechselte ich zur FF Wandsbek. Das war damals eine Fernmeldewehr, die für lange Drahtleitungen bei der Feurwehr sorgte, und sich zudem gerade im Wechsel zu einer richtigen Feuerwehr befand, die als 3.-Alarmwehr bei Großbränden aushelfen würde. Ein guter Start, denn die Jungs lernten auch gerade alles was zur Brandbekämpfung gehört, und ich hatte ja auch keine Einsatzerfahrung. So machten wir alle unsere Ausbildungen und Übungen brav nach Lehrbuch.

Das Lehrbuch
Das Lehrbuch

Brennende Tankstelle brennt brennend!

Die FF Wandsbek war ne coole Truppe. Ich hatte darunter ein paar echt gute Kumpels gefunden. Wir brauchten aber mehr Erfahrung mit echtem Feuer, daher kamen ein paar auf die Idee für eine realitätsnahe Übung. Der Plan war folgender:

In der Schanze gab es eine stillgelegte Tankstelle. Mit fast allem, nur keinem Bezin mehr in den Tanks: eine brennende Tankstelle - ein geiles Szenario für uns Firefighter!

Damit das ganze authentisch wirkt, sollte ein kleiner Holzhaufen angezündet werden, den wir im Nu sogar mit ner Wasserpistole hätten ausblasen können. Einer der Kameraden kam dann noch auf die Idee für Stimmung zu sorgen und steckte ein paar Böller unter das Holz. Wie wären dann angerückt, jemand hätte das Feuer angemacht und wir hätten es dann direkt nach dem ersten Aufglühen nassgespritzt. Todsichere Nummer, gute Übung. Machen wir!

Ein authentischer Funkspruch

Wir teilten uns auf. Ich wartete mit dem Einsatztrupp im Löschfahrzeug ein paar Straßen um die Ecke, denn wir wollten ja mit Blaulicht anrücken und alles wie in echt üben. Ein anderes Team wartete an der Tanke und sollte dann den Holzhaufen präparieren, uns zuerst anfunken und dann bei unserer Ankunft das Feuer entzünden.

 

Im Fahrzeug war gute Stimmung! Wir scherzten und warteten auf den Funkspruch. Der ließ lange auf sich warten, das war zwar merkwürdig, fiel aber niemandem besonders auf. Bis dann aber panisch über Funk die Anfrage kam: "WO BLEIBT IHR??? DAS BRENNT HIER SCHON VOLL!!!" .... .... LOS! Blaulich an, Tatütata...das ist keine Übung! 

 

Da kam wohl jemand durcheinander und zündete doch zuerst das Feuer an, vergaß dann aber uns Bescheid zu geben. So kam es also, dass die Tankstelle tatsächlich brannte noch bevor wir eintrafen.

Nur kam es zu einem weiteren kleinen Denkfehler: wir kamen an und hielten das ganze immer noch für eine Übung - mit geilen Special Effects!

 

Übung nach Lehrbuch

Das Lehrbuch sieht bei einem Einsatz vor, dass sich nach Stillstand des Fahrzeugs die komplette Mannschaft hinter dem Fahrzeug in einer festgelegten Ordnung aufstellt und der Gruppenführer den einzelnen Trupps (Angriff/Schlauch/Wasser/Melder/Maschinist) die Einsatzbefehle übermittelt. Wo ist die Wasserentnahmestelle (Hydrant)? Wo soll der Verteiler hin, von dem sich die einzelnen Angriffstrupps das Wasser abzapfen? Wie gehen die Angreifer ans Feuer ran? Das alles überlegt sich der Gruppenführer während der Fahrt und während des Eintreffens. 

 

Wir standen nicht gleich in der Reihenfolge nach Lehrbuch und spielten schnell noch eine Runde 'Reise nach Jerusalem' bis sich alle am vorgesehen Platz befanden. Dann kamen die Befehle: "Da vorne brennt es!", sagte er während er auf die offensichtlichen, lodernden Flammen deutete. Oh, stimmt!

"Der Hydrant ist da vorne, der Verteiler muss hierhin, der Angriffstrupp geht dann von vorne rein! Los, los, los!". 

Es wurde etwas hektisch. Wir waren voll aufgeregt, alle miteinander. Es brannte ja immerhin. Und wir hatten schon erste Zuschauer durch Anwohner. Jetzt musste alles ganz nach Lehrbuch ablaufen, wir wollten eine gute Figur machen! Keine Panik, die Feuerwehr ist da!

 

Wasser marsch!

Ich gehörte zum Wassertrupp und hatte mir Schläuche geschnappt, um sie auszurollen. Vom Verteiler hin zum Hydranten. Mein Kamerad am Hydranten hatte aber ein kleines Problem: er hatte das Standrohr im Hydranten verkantet. Er bekam es weder rein, noch raus...und das Wasser kam so schon gar nicht raus. Wir saßen grad auf dem Trockenen und wussten nicht weiter: Davon stand so nix im Lehrbuch!

 

Der Angriffstrupp war auch ganz aufgeregt. Der lief mit seinem Schlauch und der montierten Wasserspritze gemäß Auftrag zur Feuerstelle, also rein ins brennende Gebäude. Nur ohne Wasser, denn das war ja noch unten im Hydranten! Das wussten die nur nicht. 

 

Mittlerweile gingen die versteckten Böller los und es knallte und zischte sehr schick inszeniert aus dem Feuer. Perfekt!

 

Zurück zum Hydranten: Wir drehten und wendeten das Standrohr immer noch und bekamen es nicht mehr heraus. Dass es schon dunkel wurde hatte den Vorteil, dass wir nun viel deutlicher das Feuer sahen! Und auch die Lichter in den Wohnungen rundherum, aus denen nun viele Menschen aus ihren Fenster herausschauten.

 

Keine Panik!

Wir waren immer noch mit dem ersten Setup beschäftigt, als drei weitere Feuerwehrautos mit lauten Sirenen ankamen. Die Kollegen von der Berufsfeuerwehr kamen an. Besorgte Nachbarn hatten wohl 112 angerufen, weil sie ein Feuer bei einer Tankstelle gesehen hatten. Aber Leute...die Freiwllige Feuerwehr Wandsbek ist doch schon dahaa!

 

Die Berufs-Kollegen kamen also angerauscht und dazu jetzt ein Rüffel von mir: die professionellen Kollegen hielten sich nicht ans Lehrbuch. Nullkommagarnicht!

Sie stellten sich nicht zuerst hinter ihr Fahrzeug, es gab keine genaue Einsatzbesprechung, keine deutlichen Arbeitsanweisungen. Die liefen einfach kreuz und quer und machten Ruckzuck unser (zugegeben mittlerweile riesiges) Feuer aus.

Ey, das war unsere Übung! 

 

Genauso schnell wie die Profis ankamen, rückten die auch schon wieder ab. Unserem Wehrführer warfen sie ein paar unverständliche Worte zu, gaben ihm ne Schaufel und ein Zeitlimit, bis wann hier alles picobello aufgeräumt sein sollte.

 

Wir machten uns dann ans Aufräumen und düsten später wieder ab. Es wurde nicht mehr viel gesprochen, es war ja alles gesagt.

 

Hamburger Feuerwehrgeschichte

Die ganze Story hatte jede Feuerwehrwache ganz Hamburgs über Funk mitbekommen. Wir waren berühmt! Eine Feuerwehr zündet eine Tankstelle an, kann sie nicht löschen und jemand musste die Feuerwehr rufen, damit das Feuer gelöscht wird. Hammerhart!

 

Das ging definitiv in die Hamburger Feuerwehrgeschichte ein...und ich war voll dabei!

 

Einige Zeit später wurde die Wehr mit einer anderen Feuerwehr zusammengelegt und es fand ein Namenswechsel statt. Ich glaube aber nicht, dass das damit in irgendeinem Zusammenhang steht.

 

Zumindest nicht im Lehrbuch!

Ich hab tatsächlich noch Teile der Ausrüstung!
Ich hab tatsächlich noch Teile der Ausrüstung!

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