Ein Jahr Pause...

...genau das hatte ich mir mal gedacht, als das Abitur näher kam, denn ich hatte überhaupt keine Idee was ich beruflich mal machen könnte. Zu dem Zeitpunkt waren ich und meine Freunde irgendwie nie auf die Idee gekommen, dass wir das ja wirklich selber in der Hand haben. Stattdessen hat man sich Berufsbilder angesehen und gedacht: Nunja, muss ja irgendwie! Bevor ich mich aber ins Berufsleben stürzte, dachte ich dass es doch besser wäre einfach mal ein Jahr rumzujobben. Ich konnte wirklich nicht ahnen, dass der erste Nebenjob nach der Schule meine Laufbahn in der Entertainment-Branche ebnen wird...

Der erste Job war in der Firma von meinem Schwager, die hatte er mit zwei Anderen neu gegründet: BOOYA Music. Kannte ich nicht. Mein Job dort war es ca. 15.000 Diskotheken-Adressen in eine Datenbank zu hacken und so Direct Mailings zu ermöglichen. BOOYA Music hatte gerade einen frischen Hit produziert: 'Get Down' von den Backstreet Boys - den kannte ich ausm Radio. Mit mir im Büro saß noch ein weiteres Mädel und sonst nur mein Schwager (als Manager und Booker der Künstler), Bülent Aris als Produzent und Toni Cottura als Institution/Performer/Rapper/Ideenhaber/Co-Produzent. BOOYA wurde schnell erfolgreicher mit 'NANA', den man heute wohl kaum noch kennt. Als ich bekannt gab, dass ich noch studieren gehen möchte, wurde ich überredet mich komplett auf das Musikgeschäft zu konzentrieren, da ich ja da total durchstarten könnte. BOOYA wäre die beste Adresse im Geschäft, und es hieß man würde mich nach BOOYA mit Kusshand nehmen (später: es interessierte natürlich keine Sau :-). Ich blieb also da und wurde Zeuge der damals beeindruckenden Karriere BOOYAs als Produktionsassistent, Telefonist, "IT"-Experte und Mann für Alles. Es wurde bald bei Universal Music ein eigens Label gegründet, bei dem ich dann als jr. Product Manager/IT eingestellt wurde. Später sagte man, der Deal sein für Universal ein schlechtes Geschäft gewesen. Viel erlebt, viel gesehen, viel Rock'n'Roll im 'Euro-Rap' Geschäft. Ich war im Product Management zuständig für Tonis Solo-Scheiben und einige andere Künstler. Toni Cottura selber war als Typ interessant, aber auch sehr eigenwillig. BOOYA hatte in der Zeit viele Produktionen für andere Künstler übernommen, wie z.B. 'N Sync, Marky Mark (Wahlberg), Tony Hadley, Mola Adebisi (!).  Wer hätte damals ahnen können dass der junge Justin Timberlake mal solch ein 'Star' werden würde? Die Songs von 'N Sync waren ja schon ganz gute Pop-Songs. Justin lief im Studio durch die Gänge und trällerte immer wieder den Song 'The lion sleeps tonight', das war schon damals echt beeindruckend wie gut der singen konnte. Insgesamt war die Truppe von 'N Sync sehr sympathisch, wir haben oft in deren Produktions-Pausen gemeinsam Tekken 2 und andere Games gezockt. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich für mich aber bei BOOYA inhaltlich einfach nicht weiterkomme. Gute Entscheidung, denn knapp 1 Jahr nach meinem Austritt ging es dort unglaublich bergab. Heute gibt es BOOYA Music in der Konstellation bereits nicht mehr. Irgendwann gab es mal ein VIVA TV Special zu BOOYA in dem auch ich zu sehen war, aber das Youtube-Video scheint leider gelöscht worden zu sein. Zu einigen der Künstlern und Produzenten habe ich heute noch sporadischen Kontakt. Mit einem ganz besonders talentierten Sänger/Songwriter/Produzenten arbeite ich heute jedoch wieder öfter mal zusammen: Jan van der Toorn.

Während der Zeit bei BOOYA hatte ich bereits viele Multimedia-Projekte mit der noch kleinen Firma Exozet in Berlin umgesetzt. Man kannte sich dann gut und mit deren Geschäftsführer Frank war ich bezgl. unseres gemeinsamen Hobbies Videospiele auf einer Wellenlänge. Wir hatten dann Anfang '99 beschlossen ein eigenes Spiel auf die Beine zu stellen, was richtig Großes mit viel Interaktivität. 

 

Zur Überbrückung des Wechsels zwischen BOOYA und Exozet hatte ich mich dann bei Randstad eingeschrieben, um Zeitarbeit zu verrichten. Ich bat um Jobs im kaufmännischen Bereich. Gefragt wurde ich dann aber, ob ich nicht die Telefon-Rezeption bei einer Firma namens Avalon Interactive übernehmen möchte, die bräuchten jemanden mit Englisch-Kenntnissen. Wollte ich eigentlich nicht, aber nachdem ich gesehen hatte, dass Avalon die Vertriebsfirma von Virgin Interactive war, hab ich natürlich angenommen. Ich hatte auch Glück mich in der kurzen Zeit mit der Marketing-Abteilung von Virgin Interactive anzufreunden. 

Auf nach Berlin: Die Story lag vor, Geldgeber und Technik fehlten. Nachdem ich dann von Hamburg nach Berlin gezogen bin, bin ich als erstes ohne Termine zu haben zur anstehenden E3 nach Los Angeles geflogen, um dort die Workshops mitzunehmen und Game Engines lizenzieren zu können. Glücklicherweise hatte ich einige interessante Termine bekommen wie z.B. mit Mark Rein, der mir dann in deren kleinem Booth das ganz frische Unreal Tournament zeigte und mir erzählte, dass sie auf der Suche nach europäischen Entwicklern seien, die deren Technologie nutzen. Er meinte zudem, dass unsere Spielidee vage Ähnlichkeiten zu einer Entwicklung eines anderen Lizenznehmers von Ihnen habe: Deus Ex von Warren Spector. Den Namen kannte ich damals (noch) nicht :-) Ähnlich waren sich die Spielideen aber nicht wirklich, Mark Rein wird mir da wohl nicht so richtig zugehört haben, haha. Die E3 in ihrer damaligen Gewaltigkeit zu erleben, war ein ganz besonderes Erlebnis! Das war mein Mekka! Wieder in Berlin mit mehr Informationen und einem Plan, hatte ich dann durch alte Kontakte holländische Investoren zu einer Präsentation einberufen. Die hatten sich als Berater jedoch die beiden Gründer von Davilex mitgebracht, die mit dem Spiel 'Autobahn Raser' damals sehr erfolgreich waren. Die Herren von Davilex hatten uns dann leider dazu geraten, dass bevor wir uns an ein Mammut-Projekt ohne jegliche Erfahrung wagen, wir wohl doch eher erstmal kleinere Projekte umsetzen sollten. Wir gingen also nochmal in Medias Res und haben uns dann entschieden, es doch erstmal alles sein zu lassen, da wir überhaupt keinen Plan haben, was uns da eigentlich erwartet - wir hätten es trotzdem machen sollen, davon bin ich heute noch überzeugt. Ich bin dann wieder nach Hamburg gezogen und Frank hat sich erstmal auf seine anderen Geschäftsbereiche konzentriert. Exozet ist heute sehr erfolgreich und hatte zwischenzeitlich auch die Division Exozet Games gegründet und viele tolle Produktionen hervorgebracht. Exozet ist eine echt tolle Firma und Frank und alle anderen mir bekannten Kontakte dort, sind menschlich einfach klasse! 

Bild: giantbomb.com
Bild: giantbomb.com

Ich habe dann Ende '99 noch die Kontakte zu Virgin Interactive reaktiviert und mir dort einen Praktiantenjob besorgt. Zurück in Hamburg hatte ich viel Spaß in dem klasse Marketing-Team gehabt. Meine Kollegen hiessen Nathali Schrader, Heiko Kaspers, Kai Fiebig, Thilo Hübner und Ingo Horn, und natürlich auch andere die man aber namentlich nicht direkt kennt. Es wurde zu 2000 eine feste Stelle frei, da Thilo zu EA nach Los Angeles wechselte, die ich dann als Product Manager besetzten konnte. Mein Traum! Leider wurde ein Teil des Teams jedoch abgeworben und wanderte zu Piggyback Interactive ab, einem Hersteller von Lösungsbüchern. Eine neue Geschäftsleitung kam und der letzte alte Hase wanderte zu einem anderen Publisher ab. So war ich auf einmal der Erfahrenste (aus interner Sicht von Virgin IE) in der Marketing-Abteilung. Ich hatte schöne Produkte betreuen dürfen wie z.B. MDK 2, Icewind Dale, Operation: Winback, Neverwinter Nights etc. Eines meiner Highlights bei Virgin war u.a. ein 10-tägiger Arbeits-Aufenthalt bei Capcom in Osaka zur Lokalisierungsüberprüfung des PlayStation 2 Spiels 'Dino Crisis'. Ein wahnsinnig tolles Erlebnis. Ich hatte mich dann später aber in der sich veränderten Firma leider nicht mehr so wohlgefühlt und mir wurde oft vorgeworfen, dass ich ja nicht studiert hätte und keine Ahnung von dem habe, was ich da mache. Das mit dem Studium hatte mich selber auch schon immer gewurmt, und so plante ich diesen Pfad erstmal wieder aufzunehmen. Davon bekam in einigen Gesprächen unsere Werbeagentur 'shr' (heute: Revolutions Advertising) Wind, mit der ich sehr eng zusammengearbeitet hatte. 

Ich bekam von 'shr' das Angebot zu denen als Projektmanager zu wechseln und dort ein berufsbegleitendes Studium zum Medienbetriebswirt an der heutigen Hamburg School of Business Administration zu absolvieren. Das habe ich dann auch 2001 angenommen. Anfangs hatte ich natürlich wieder Virgin als Kunden. Die Situation war komisch meine alte Chefin als Kundin zu haben. Irgendwann kamen von Virgin immer weniger Jobs und wir akquirierten dann damals Infogrammes, die darauf zu Atari wurden. Das ging im Spielebereich immer weiter, sodass wir Atari Europe, dtp entertainment sowie Ubisoft als Kunden gewannen. Bis heute erzähle ich gerne wie toll die Arbeit mit Ubisoft an deren Spielen 'Die Siedler' und 'Anno' war. Die Produkte waren toll, aber ich möchte auch noch betonen wie klasse es ist mit Benedikt Schüler, Thorsten Kapp und Timo Gerken zusammen zu arbeiten.

Später betreute ich noch Kunden wie Universal Pictures, Panasonic, Gruner+Jahr EMS, das Bundesministerium für Familie und weitere. Projekte von Aufklebern zu Anzeigen, Broschüren, Corporate Design-Entwicklungen, TV-/Kinospots, Messeständen, Websites und auch mal ein Lösungsbuch zum Spiel 'Driv3r' waren durch die Bank vertreten, und haben viel Arbeit aber auch echt viel Spaß bereitet.

Die Arbeit als Projektmanager (wir nannten uns später 'Berater') in einer mittelgroßen Werbeagentur war sehr sehr vielseitig. Ich habe unglaublich viel gelernt an fachlichem Kommunikationswissen und professionellem Organisationswesen, und konnte als Folge dessen jegliche Projekte durchführen. Ich hatte meine Arbeit dort ganz gut im Griff, und wurde über die Zeit Junior-Partner der Agentur und Teamleiter der Beratung.

 

2009 gab es bei shr jedoch eine Veränderung bei den Gesellschaftern und der Kreativ-Geschäftsführer Bernd Sanmann verließ die Agentur. Der nachfolgende Prozess löste bei mir auch den Wunsch nach einer Veränderung aus. Ich hatte damals bereits 2 Kinder und somit einen ausgeprägten Wunsch nach finanzieller Sicherheit, daher begab ich mich auf Jobsuche. Ich hatte Fotos gemacht, Bewerbungen geschrieben und nur Absagen kassiert! Das war sehr enttäuschend. Ich stellte fest: keiner wollte mich kennenlernen. Zeitgleich hatte ich mir einen Facebook Account zugelegt und war beeindruckt vom iPhone und dessen Apps. Ich hatte schon immer den Wunsch gehabt, eigene Spiele zu entwickeln, es kam nur irgendwie nie dazu. Facebook als auch der iTunes Appstore boten Entwicklern auf einmal ganz neue Perspektiven und einen offenen Markt. PC war damals durch das schlechte Retail-Geschäft keine Option und für Konsolenentwicklungen brauchte man teure Lizenzen. Im Web und für Mobile konnte man aber mit relativ wenig finanziellem Aufwand in ein blühendes Geschäft einsteigen - das sah ich als meine Chance. Nach einigen Gesprächen mit meiner Frau, entschieden wir uns gemeinsam dazu es endlich zu wagen und unsere eigene Firma zur Spielentwicklung zu gründen. Aber wie soll die bloß heissen? Letztendlich kam meine Frau Isabel dann nach vielen Varianten auf die tolle Kombination 'Pop Rocket Games'. Das war's! Aber moment...parallel bekam ich von Gamigo ein sehr gutes Angebot für eine tolle Position und ein echt gutes Gehalt. Ich habe natürlich kurz überlegt und dann aber abgesagt. Mir war klar, dass ich es jetzt wagen möchte und ebnete somit den Weg für meine heutige Firma 'Pop Rocket Games'.

Ein langer Text, bitte entschuldigt das!

 

Über die Gründung der Firma, wie man nicht einen Cent geliehen bekommt, was für Pleiten ich erlebte und wie dann aber alles ganz toll wurde, das werde ich beim nächsten Mal schreiben, denn das ist echt ne Story für sich...

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Kommentare: 1
  • #1

    Jake (Montag, 07 Oktober 2013 07:26)

    Meeeeehr! :)